Club der Cleveren

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Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Da sind wir wieder mit einer neuen Folge von Club der Cleveren, dem OÖN-Podcast für persönliches Wachstum. Ich bin Elisabeth Eidenberger, ich bin Head of Podcast und Audio bei den Oberösterreichischen Nachrichten. Und ja, es ist Weihnachtszeit, man sieht überall die Lichter leuchten, die strahlenden Augen. Und für unsere Weihnachtsfolge habe ich mir einen ganz besonderen Gast hier ins Studio eingeladen, nämlich den Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer. Er ist 1955 in Haibach ob der Donau geboren, ist 1980 zum Priester geweiht worden. Er hat dann auch natürlich Theologie studiert in Linz und in Rom, auch sehr spannend, ist dann im Jahr 2003 zum Bischof der Diözese Innsbruck ernannt worden und seit 2015 ist er wieder zurückgekehrt zu uns nach Linz und ist seither die Zesamtbischof hier in Linz. Ich freue mich, dass wir heute plaudern können über Themen, die die katholische Kirche betreffen, aber natürlich auch über ihn und seinen Werdegang. Wir sind gespannt und deshalb sage ich jetzt herzlich willkommen Manfred Scheuer.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Grüß Gott.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Schön, dass Sie sich Zeit nehmen. In der vorweihnachtlichen Zeit ist es da für einen Bischof besonders stressig oder besonders entspannt und schön?

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Es ist nicht stressiger als in den übrigen Zeiten des Jahres, in den anderen Monaten. Ich habe schon auch Zeiten, zum Beispiel von September bis Ende November, da geht es noch dichter zu. Im Advent versuche ich etwas, nicht entspannter zu sein, aber freie Räume zu haben, mich auch besser hineinzudenken oder auch einzufühlen.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Wenn man in dieser Zeit ein bisschen durch die Straßen geht und es blinkt und blitzt alles und man handelt sich von einem Glühweinstand zum nächsten, von einer Weihnachtsfeier zur nächsten, ist im Geschenkekauf Wahnsinn, das ist ja im Moment auch sehr sichtbar. Haben Sie manchmal das Gefühl, wir haben den Sinn von Weihnachten vergessen.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Manches kann ich teilen. Ich habe schon den einen oder anderen Glühwein getrunken. Geschenke gekauft habe ich noch gar nicht. Und durch die Straßen spazieren oder flanieren tue ich nicht. Unterwegs bin ich schon relativ viel. Natürlich gibt es die Frage, sind wir nicht oberflächlich geworden oder haben wir nicht den Sinn, den tieferen Sinn des Festes, verkannt oder vergessen. Ich glaube aber, dass viele Dinge auch helfen können, den Sinn von Weihnachten zu entdecken. Ich glaube zum Beispiel, dass Geschenke durchaus Freude machen, dass die Begegnungen in der Weihnachtszeit ja auch aufbauen, dass Besuche etwas ganz Wichtiges sind und dass Licht in der Dunkelheit etwas ist, was für die Seele auch notwendig ist, das denke ich schon.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Natürlich kann das nicht einfach ablenken von den tiefen Schichten der Seele und kann auch noch nicht die wirklichen Beziehungen schaffen. Aber eine Hilfestellung kann das sein.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Es tut auch wohl ums Herz, wenn man es vielleicht sieht, weil man vielleicht auch alleine ist oder Probleme hat und sich denkt, vielleicht ist es ein Funke Hoffnung, der hier auch wieder mal zu spüren ist.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Ein wesentlicher Sinn des Advents und auch der Weihnachtszeit ist ja, Wie steht es denn die Hoffnung bei mir selber? Oder welches Fundament hat das eigene Leben? Worauf kann ich bauen? Worauf vertrauen? Aber auch die Frage, wozu bin ich eigentlich da? Oder wozu ist das Ganze gut? Dem auf den Grund zu gehen, ja, da kann vieles helfen. Manches auch ablenken.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Mit Sicherheit. Wenn man sich die letzten Jahre ansieht, dann reden wir ganz oft über die Spaltung der Gesellschaft. Das ist in Zeiten von Corona total greifbar geworden. Man hat irgendwie verlernt mit Andersdenkenden umzugehen, hier den Dialog zu suchen. Wir haben es auch in diesem Jahr am Ausgang verschiedenster Wahlen auf europäischer Ebene, aber auch hier in Österreich gesehen, dass es scheinbar ein Auseinandertriften verschiedener Gruppierungen von Andersdenkenden gibt. Kann da vielleicht auch die katholische Kirche einen Beitrag dazu leisten, dass wir wieder den Dialog, die Nähe zueinander finden?

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Ich nehme sehr unterschiedliche Kräfte in der Gesellschaft und auch in der Kirche wahr. Kräfte, die Solidarität ausüben, die den Zusammenhalt suchen, die auch eine gemeinsame Wertebasis in der Gesellschaft, auch in der Demokratie anzielen. Und es gibt andere Kräfte, die sind vielleicht müde, frustriert vom bisherigen. Denen ist auch das Gemeinsame zu fad. Denen sind Kompromisse langweilig. Die haben den Eindruck, dass nichts Neues kommt oder fordern gerade Veränderungen jetzt in diesen Zeiten. Ich habe jetzt ein Wort von Erich Kästner mitbekommen, da sagt er, Kopf will einfach das Neue, das Herz aber das Vertraute. Und das ist dann verbunden worden mit zwei Eindrücken.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Nämlich kann ich einem Kind sagen, dass eine Geschichte, die er schon öfter gehört hat, wieder hören will? Das habe ich dir ja auch schon vor einer Woche oder vor einem Monat erzählt. Nein, das Vertraute, das Schöne, Das braucht auch die Präsenz und das Bekenntnis in der Gegenwart. Oder wenn ein Mann zu seiner Frau sagt, die ihn fragt, liebst du mich? Das habe ich dir doch schon vor einem Jahr mal erzählt oder gesagt.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Das muss erreichen.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Das müsste erreichen. Der verkennt den Inhalt der Frage sozusagen. Das Vertraute, so denke ich, braucht auch immer wieder die Erneuerung oder auch die Präsenz und braucht die gegenwärtige Beziehung. Und das ist auch, glaube ich, in der Demokratie so, das ist in der Gesellschaft so und auch in der Kirche so. Wir haben uns in manchen Bereichen schon auseinandergelebt, sodass es eigentlich, ja, wir können nicht mehr recht miteinander oder wollen nicht mehr miteinander oder mit dem nicht. Das heißt, manche stecken in der eigenen Blase und negieren alles, was nicht ihrer eigenen Art ist oder ihre eigene Meinung bestätigt. Und das ist sicherlich eine bedingliche Entwicklung in der Gesellschaft, aber auch in anderen Bereichen. Auch in der Kirche sehe ich ja diese Entwicklungen.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Und das lässt sich nicht einfach durch Postulate herbeiführen, auch nicht durch Beschwörungsformen, sondern die Versöhnung oder das Miteinander, das ist durchaus ein hartes Stück Arbeit. Und das ist manchmal auch eine Frage der Umkehr. Das ist ein biblisches Wort, das vermutlich nicht mehr so gebräuchlich ist, weil verändern müssen sich immer die anderen. Gescheiter oder besser werden sollen die, nicht ich selber. Und umkehrt ist etwas, was ich selber brauche. Und es braucht auch die Empathie, die Einfühlung, was brauchen andere, was braucht zum Beispiel auch ein Gemeinwohl. Natürlich, ich möchte nicht alle als Egoisten degradieren. Das sind ja Menschen oft, die zu kurz gekommen sind, die in Not leben, die wenig haben, die Mühe haben beim Leben.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Es ist nicht eine moralische Wertung, dass wir uns manchmal so schwer tun, sondern es hat sich manches so entwickelt, es braucht gemeinsame Anstrengungen und, das sage ich jetzt auch dazu, auch gerade zu Weihnachten, es ist nicht einfach machbar. Ich kann nicht sagen, ab morgen leben wir alle wieder friedlich zusammen.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Aufs Knopf drücken, wenn es klappt.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Sozusagen Friede oder Demokratie auf Knopfdruck. So geht es nicht. Es ist im guten Sinn auch ein Geschenk. Nicht ohne die eigene Anstrengung, aber nicht einfach nur das Produkt des eigenen Selbst.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Wollen wir uns noch so anstrengen?

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Das ist auch etwas, glaube ich, was nicht eine Frage der Moral ist, oder nur der Moral, sondern wieso Leute auch in ihrem Leben groß geworden sind, was sie mitbekommen haben, manchmal auch an Lasten mitbekommen haben. Die Befähigung zum Beispiel arbeiten zu können oder auch die Ermächtigung zu bestimmten Kulturtechniken, das ist nicht so selbstverständlich. Insofern braucht es da glaube ich große persönliche, auch gesellschaftliche Anstrengungen, dass Menschen, die mit einem Minus anfangen mussten, da aufholen können und sich selber auch einbringen oder auch verwirklichen können.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Jetzt leben wir in einer Zeit, wo Wissenschaft, Forschung, Technologie so bestimmend ist. Wir reden von künstlicher Intelligenz. Man hat gefühlt so viel ausgelagert. Wo bleibt da eigentlich der Platz für den Glauben oder ist gerade in dieser Zeit der Glaube besonders wichtig?

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Ich bin sehr dankbar für die Errungenschaften der Wissenschaften. Ich glaube auch, dass die künstliche Intelligenz einen großen Nutzen haben kann für die Gesellschaft. Das aber gerade dann, wenn die Wissenschaft sich ihrer eigenen Grenzen bewusst ist und wenn die künstliche Intelligenz weiß, was sie nicht weiß. In dem Sinn ist die Weisheit zum Beispiel schon von Nikolaus Cusanus so beschrieben worden als gelehrte Unwissenheit. Ich weiß meine Grenzen. Ich weiß, was ich mit der Wissenschaft kann oder auch nicht kann. Ich kann zum Beispiel mit der Wissenschaft, gerade in der Medizin, sehr viel erreichen. Aber ohne die konkreten Menschen werden die nicht selber gesund.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Oder ich kann mit der Wissenschaft natürlich Waffen schmieden und die können unterschiedlich eingesetzt werden. Die Technik ist ein Segen und kann ein großer Fluch sein. Das heißt, die ethischen Dimensionen des Lebens oder auch Basics wie das Vertrauen oder die Hoffnung, die sind nicht einfach nur eine Frage der Fakten oder der Tatsachen. Es hat schon Ludwig Wittgenstein gemeint, die Tatsachen sind die Aufgabe, nicht die Lösung. Ich kann mit einer Statistik nicht die Probleme lösen. Natürlich habe ich die Statistik zu berücksichtigen, auch und gerade in der Wirtschaft, aber das verändert sich ja.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Sie haben jetzt schön das Wort Statistik verwendet. Wenn ich auf die Statistik der katholischen Kirche schaue, da gibt es die Zahlen von 2023, sind etwa 4, 6 Millionen Österreicher Mitglieder der katholischen Kirche. Es hat 2023 gegeben 86.000 in etwa Austritte, es sind wieder Taufen gekommen, etwa 40.000, ein paar Wiedereintritte auch, nicht zu vergessen. Aber wenn man genau darauf schaut, in der Wirtschaft oder auch im Sport, würde man sagen, es ist eine klassische Negativbilanz. Ist das eine Entwicklung, wo Sie sagen, das ist einfach der Zahn der Zeit, so dreht sich das Rad, oder können wir auch etwas tun, dass die Menschen zum Glauben wieder zurückfinden?

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Die Motive und die Gründe für diese Entwicklung sind, glaube ich, sehr unterschiedlich. Es gibt zum einen auch demografische Gründe, dass zum Beispiel in unserem Land die jüngere Generation sehr schwach vertreten

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: ist

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: und dass die Zugewanderten zum Beispiel weniger katholisch sind. Das andere sind Entfremdungsformen von Glaube und Kirche und Religion. Das dritte sind vielleicht auch Schwierigkeiten mit Institutionen insgesamt. Wir tun uns ja nicht allein in dem Bereich so schwer. Dann gibt es sicherlich auch persönliche Erfahrungen, schmerzliche Erlebnisse, auch mit Amtsträgern der Kirche. Und dann gibt es auch eine Entfremdung von den Inhalten des Glaubens, die da sind, die ich auch respektiere. Da möchte ich nicht übergriffig sein. Ich denke aber, dass es gerade bei der Religion auch die Basis, das Fundament des Lebens geht.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Zum Beispiel, kann ich Vertrauen? Halte ich das Leben für lebenswert? Oder habe ich in dieser konkreten Situation Hoffnung? Oder wo sind letztlich die Ressourcen der Solidarität in unserer Gesellschaft? Ich kann keine Prognose stellen, wie das in zehn Jahren ausschauen wird. Ich halte aber diese inhaltlichen Bereiche, auch die das Herz betreffen, doch für sehr wesentlich im eigenen Leben, im persönlichen Leben, aber auch im gemeinsamen Leben.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Wenn Sie mir so gegenüber sitzen, jetzt kommen wir ein bisschen zum Menschen Manfred Scheuer, dann wirken Sie sehr bedacht. Das sind ja auch Eigenschaften, die man Menschen, die als Priester, als Pfarrer arbeiten oder einfach in der Kirche arbeiten, eine gewisse Güte, Vergebung ist ein großes Thema. Gibt es etwas, das den Manfred Scheuer: als Person so richtig auf die Palme bringt?

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Natürlich kann ich manchmal aufgehen, mich ärgert auch manches. Also wenn strategisch sozusagen etwas unterminiert wird oder wenn Menschen auch schlecht gemacht werden, dann muss ich mich manchmal auch ziemlich halten.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Das traut man Ihnen gar nicht zu, wenn Sie so vor mir sitzen.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Ich bin nicht immer so kontrolliert.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Und ist ja auch zutiefst menschlich. Apropos, wenn wir so ein bisschen zurückschauen, im Zahn der Zeit sind Sie in Haibach-Opterdonau aufgewachsen. Ich frage in diesem Podcast immer so gerne, wenn Sie zurückdenken, der kleine Manfred, was wollten Sie denn eigentlich beruflich machen? Was wollten Sie denn als Kind eigentlich werden?

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Also die frühesten Kindheitserinnerungen gehen bei mir schon so in das dritte, vierte Lebensjahr zurück. Und da bin ich schon als Kind mit den Semmeln zu den Nachbarn oder auch zu den Geschäften gegangen. Das früheste Bild stammt aus Februar 1959, da war ich also dreieinhalb Jahre alt, da trage ich mit meinem Bruder das Gepäck aus. Also ich bin in einer Bäckerei groß geworden und auch in einer kleinen Landwirtschaft. Wir hatten also vier Kühe und auch einige Schweine und was halt sonst zu einer Landwirtschafts-Selbstversorger dazugehört. Wobei es so war, dass ich da vieles gelernt habe, mitgenommen habe, zum Beispiel die Wertschätzung für Lebensmittel, auch die Wertschätzung für Arbeit und für die konkreten Menschen. Aber das waren dann teilweise auch Allergien oder sowas, dass ich nicht auf den Gedanken gekommen bin, Bäcker zu werden oder Bauer zu werden. Ich habe durchaus mitgeholfen und habe auch gearbeitet, in den Ferien, spät oft auch.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Es hat mich als Kind schon das Ministrieren fasziniert. Und das hat mich dann auch auf den Gedanken gebracht, Pfarrer, hat man gesagt, werden zu wollen, oder Priester. Und da haben dann Manche Lehrer, manche Erfahrungen auch in Gemeinschaft dazu geführt, dass ich Theologie studieren wollte. Das war so dann mit 18, 19 das Interesse.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Macht man das? Ganz viele ergreifen ja einen Beruf, wo sie sich denken, Wir haben auch immer Karriere. Hatten Sie vor, in der katholischen Kirche Karriere zu machen?

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Wobei Kindheitsträume sind etwas anderes als dann Berufswünsche von Jugendlichen. Natürlich kann ich mich erinnern, Kinder haben, da darf ich das, oder da trete ich so auf, dass so etwas mit einer Rolle spielt, würde ich nicht vom Verlangen wegwischen. Im Jugendlichenalter war stärker das Interesse an der Theologie, durchaus an Fragen von Leben und Tod. Ich kann mich erinnern, damals war dann gerade auch der Verlust eines Freundes, dann der Tod des Vaters. Das hat mich doch dazu geführt, auch manchmal tiefer zu fragen oder bedächtiger zu sein. Und es waren auf der anderen Seite schon

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: auch, Ich würde schon auch sagen, die

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Gottsuche, die dazu geführt hat, dass ich Theologie studieren und Priester werden wollte.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Hat das Aufwachsen in einer kleinen Gemeinde auch für Sie in Kontakt kommen mit der Religion beeinflusst?

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Ich bin also durch mein Elternhaus auch in das kirchliche Leben hineingewachsen. Das war selbstverständlich. Auch am Sonntag oder auch oft am Werktag. Ich habe bei Begräbnissen immer so eine Art Mesendienst gemacht. Und in der Gemeinde gehörte das schon dazu. Insgesamt sind diese Beziehungen, die ich da erlebt habe und die mich auch geprägt haben, bin ich für diese Beziehungen sehr dankbar, auch wenn ich jetzt schon 58 Jahre davon weg bin und nur noch zu Besuch nach Hause komme.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Jetzt muss ich ganz banal fragen, weil sich vielleicht auch ein paar von unseren Zuhörerinnen und Zuhörern fragen. Was genau macht ein Bischof? Was ist so Ihr Jobdescription, würde man heutzutage sagen?

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Ich erlebe oft, dass Leute sagen in einem Satz genau, aber dann nicht genau sagen, was das ist. Also ich kann nicht genau sagen, was jetzt ein Bischof macht. Ich mache vieles. Ich mache Wesentliches. Ich mache vielleicht auch manches, was nicht so wesentlich ist, aber wo ich nicht vor vornherein weiß, ob es wichtig ist oder nicht. Ein Grundauftrag des Bischofs ist es eigentlich einmal mit den Menschen und für die Menschen auch zu glauben, zu beten, zu feiern, da zu sein, ein vertrauter, ein hoffender Mensch zu sein. Ich erfahre es auch als Grundauftrag für Menschen da zu sein, die in Not sind. Natürlich ist das immer auf der einen Seite die persönliche Ebene im unmittelbaren Vis-a-vis und zum anderen auch die institutionelle Ebene, zum Beispiel eben, dass die Caritas da auch hilft.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Ich bin halt zum Beispiel auch Vorsitzender des Kuratoriums der Caritas. Und in vielen Bereichen leite ich eben etwas. Das heißt, ich trage in gewisser Hinsicht eine Letztverantwortung, nicht die alleinige, sondern da sind viele dabei, die darauf schauen und die auch arbeiten und das auch machen. Ich sehe es als wichtigen Auftrag, in der Verkündigung tätig zu sein und zu feiern, auch zu lernen bzw. Auch Orientierung mitzugestalten. Ich sehe es als Auftrag in Begegnung zu sein, zum Beispiel mit der Kultur, auch mit der Wirtschaft, mit der Wissenschaft, mit Gewerkschaft, mit Unternehmen, mit Landwirtschaft. Gerade in diesem Jahr hatte ich einige Begegnungen auch mit der Landwirtschaft, da die Entwicklungen zu sehen, zu begleiten, mich da auch einzubringen. Oft ist es aber mehr die Frage, wie es da geht oder was da ansteht.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Ich habe auf Österreich-Ebene die Ökumene als Auftrag, auch die Beziehung zum Judentum, aber auch der Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus, das Mauthausen-Komitee gehört dazu, die Gedenkkultur in Oberösterreich, aber auch in Österreich, und dann auch die internationalen Beziehungen im Hinblick auf gerade Afrika und Lateinamerika. Ich mache doch alle Jahre eine Reise nach Afrika oder in andere Länder.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Also ich höre heraus, Sie haben viel zu tun.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Ja, vieles und viel. Genau. Durchaus in Dampe-Valenz.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Ja, absolut. Wenn man sein Amt oder seine Funktion hat, dann spricht man ganz oft von Berufung. Sonst reden wir ganz oft von Beruf in der Unterscheidung, dass man beim Beruf, beim Job am Ende des Tages nach Hause geht, diese Rolle auch abstreift und dann total Privatperson ist. Wie ist es denn bei Ihnen? Wie viel ist denn Berufung? Das bin ich, das ist ein Teil von mir. Und wie sehr können Sie am Ende des Tages einmal sagen, okay, jetzt bin ich die Privatperson Manfred Scheuer, jetzt mache ich mein Ding?

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Ich glaube, zu jeder Berufung, aber auch zu jedem Beruf gehört etwas dazu, was mir selber entspricht, wo ich spüre, das bin ich auch in meinem Sinn vor Gott, oder das bin ich selber, ureigen. Bei jeder Aufgabe gehören auch Sachen dazu, die mir nicht so liegen. Und das, glaube ich, gehört bei jedem Beruf auch dazu, wo es aber ein Fehler wäre, die zu vernachlässigen. Also ich kann nicht nur das tun, was mir gerade passt, oder was mir unmittelbar Freude macht, oder wo ich auch einen Erfolg sehe, sondern es gibt Leute, die sind in Not, und wenn ich hundemüde bin, die brauchen mich. Oder wenn jemand stirbt, kann ich nicht fragen, ist das jetzt mein Zeitplan. Insofern glaube ich schon, dass das eine Berufung bei mir ist, dass ich das auch mit einer Grundfreude mache, aber auch, dass das ein gutes Stück Arbeit ist. Es ist eine Arbeit. Ich bin einmal von einem Kind gefragt worden, was tust du denn den ganzen Tag? Dann habe ich das aufgezählt, habe gemeint, das macht Eindruck.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Dann war die nächste Frage, arbeitest du auch etwas? Es war nicht so leicht zu vermitteln, dass diese Tätigkeit auch Arbeit ist, oder auch manchmal anstrengend, mühevoll. Und dann war die dritte Frage, wozu ist das Ganze gut? Und das ist in meinem Bereich nicht immer gleich zu bemessen. Nämlich was rauskommt oder das Ergebnis ist nicht immer gleich zu sehen. Also das ist ein offener Prozess. Manchmal sehe ich die Früchte erst einige Jahre später. Oft ist es auch umsonst. Also ich kann nicht sagen, das ist jetzt mein Erfolg, sondern da geht auch manches daneben, eben weil so viele Komponenten und so viele Personen dabei sind, die unberechenbar sind, die nicht einfach zu kalkulieren sind. Das ist auch das Schöne dran, aber auch natürlich, ich habe keinen Plan jetzt, was muss in fünf Jahren da sein.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Wie gehen Sie persönlich mit Misserfolg

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Zum einen versuche ich manchmal, auf die Berge zu gehen und mir den Misserfolg bzw. Auch den Frust vom Leib zu gehen und das hilft schon auch die Aggressionen, da gehe ich manchmal vom Leib und ich merke schon zum Beispiel, wenn ich öfter drei, vier Wochen keine Freizeit dafür habe, dann geht es mir körperlich und psychisch einfach schlechter. Also die Bewegung, Berge, Winterskiduren sind durchaus nicht ein Rezept, aber eine Therapie bei Misserfolg und bei Frust, dann auch manchmal auch Musik, also hier und da Konzerte, und Freundschaften, Besuch daheim, das ist durchaus etwas, was aufbaut.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Wenn Sie nicht Bischof geworden wären, so rückblickend, was glauben Sie, wären Sie heute? Wo wären Sie noch richtig gut?

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Wo ich richtig gut wäre, kann ich jetzt nicht sagen. Ich habe schon Interesse zum Beispiel gehabt einmal für Geografie. Schon als kleines Kind habe ich sozusagen die Reisen auf der Landkarte gemacht. Ich war in Tirol schon sozusagen im Geografieunterricht, bevor ich dort hingekommen bin, auch auf den Bergen. Das hat mich fasziniert, auch Fragen der internationalen Zusammenarbeit, der Gerechtigkeit, der Entwicklungszusammenarbeit haben mich eigentlich schon relativ früh interessiert, auch die Politik. Ich habe Phasen gehabt, da habe ich auch relativ viel Literatur gelesen, also auch Poesie. Also Alternativen wären gewesen, Germanistik und Geografie.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Wäre auch natürlich schön geworden. Aber umso besser, dass Sie jetzt hier sind. Wenn Sie eine Botschaft zu Weihnachten noch an die Menschen hinausschicken könnten, welche wäre das?

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Ich habe das einmal bei Alfred Delp gelesen, und zwar im Angesichte des Todes hat er gemeint, lasst uns dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt. Und die Geburt eines Kindes ist letztlich die Verheißung, dass dieses Leben auch gut wird. Ich erlebe Eltern, nicht nur die Mütter, sondern auch die Väter, bei der Geburt eines Kindes, dass sie da zum Staunen kommen, zur Dankbarkeit kommen, fasziniert sind, dass es dieses Wunderleben eigentlich gibt. Und ich glaube, die Botschaft von Weihnachten ist letztlich, Dieses Leben ist lebenswert, weil Gott es mit uns lebt.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Schöne Botschaft. Wenn Sie auf Ihren Werdegang noch einmal zurückblicken, was würden Sie sagen, was war die cleverste Entscheidung, die Sie getroffen haben?

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Clever würde ich jetzt nicht sagen. Ich würde die Entscheidung, in Rom zu studieren, immer noch als gut ansehen.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Was war so besonders daran?

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Es war damals schon ein weiterer Horizont, eine Pluralität an Positionen, eine weltweite Erfahrung, weil die Lehrenden und Studierenden an der Universität in Rom aus der ganzen Welt kamen. Das war auch vielsprachig und das hat das Leben geweitet und damals auch von der Spiritalität her vertieft.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Also mit anderer Sichtweisen die Türen aufmachen, Das würde uns allen wahrscheinlich ein bisschen gut tun.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Es gehört auch zur Aufklärung dazu, dass ich mir einen gewissen Überblick über andere Denkweisen verschaffe und mich in andere hinein denken kann. Und das würden wir, glaube ich, gegenwärtig auch in der Demokratie und auch in der Kirche brauchen, dass wir so die abwägende, die deliberative Demokratie mehr einüben. Das heißt, auch die Argumente Pro und Contra zum Beispiel ausloten oder auch den positiven Gehalt in der Position von Gegnern oder Mitbewerbern, sagt man manchmal auch, wahrnehmen.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Weil nicht eben alles schwarz oder weiß ist, sondern wir ganz viel Grau dazwischen haben.

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Nicht nur Grau, sondern bunt manchmal auch. Also eben dieses Entweder-Oder, das ist, glaube ich, nicht etwas, was dem Leben entspricht. Natürlich braucht es im Hinblick auf bestimmte Entwicklungen eine klare Position, auch den klaren Widerstand oder positiv gesagt auch den Einsatz für etwas. Aber auch die schwierigsten Konflikte lassen sich nicht nur so lösen, dass ich sage, das sind die Guten und das sind die total Bösen. Das würde uns nicht weiterhelfen. Für den Frieden braucht es ja auch, dass ich auch die anderen mitnehmen kann, dass sich die in ihren Werten, in ihren Auffassungen angenommen fühlen und nicht total verteufelt.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Zum Abschluss habe ich eine Frage, die ich an dieser Stelle immer stelle. Was ist denn die eine Eigenschaft, auf die Sie ehrlich stolz sind, die wir uns von Ihnen abschauen könnten?

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Das müssen andere beurteilen. Ich kann nur sagen, was ich mir damals bei der Priesterweihe durchaus als Motto mitgenommen habe. Das ist ein Wort des Salomo. Der hatte im Traum einen Wunsch offen und er wünscht sich ein hörendes Herz, die rechten Entscheidungen treffen zu können.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Ich glaube, das können wir uns gut von Ihnen abschauen. Ich sage vielen lieben Dank für diese Einblicke und vor allem auch die Einschätzungen und die Botschaft. Ich glaube, wir können uns viel mitnehmen und in diesem Sinne Dankeschön und frohe Weihnachten!

Manfred Scheuer: Manfred Scheuer: Herzlichen Dank und frohe gesegnete Weihnachten Ihnen und allen, die da jetzt schauen.

Elisabeth Eidenberger: Elisabeth Eidenberger: Dankeschön!